
Die japanische Folklore ist ein reichhaltiges Gewässer voller fantastischer Geschichten, die uns an vergangene Zeiten und fernere Welten entführen. Inmitten dieser Erzählungen funkelt “Kaguya-hime”, eine Geschichte aus dem 12. Jahrhundert, die uns mit ihren Themen von Liebe, Verlust und den Grenzen der Sterblichkeit tief berührt.
“Kaguya-hime” handelt von einer jungen Frau unbändigen Charmes, die im Bambuswald gefunden wird. Sie ist weder menschlich noch ganz irdisch: Kaguya-hime entstammt dem Mondpalast und wurde auf die Erde geschickt, um ein göttliches Erbe zu erfüllen.
Aufgewachsen in einem bescheidenen Dorf lernt Kaguya-hime die Schönheit der menschlichen Welt kennen - die Wärme der Sonne, den Duft der Kirschblüten, die tiefe Verbundenheit der Menschen untereinander. Doch ihre wahre Herkunft bleibt verborgen.
Die Ankunft einer Mondgöttin
Die Geschichte beginnt mit einem mysteriösen Fund: Taketori no Chonin, ein alter Holzfäller, entdeckt in einem Bambushain ein winziges Mädchen. Dieses Kind wird Kaguya-hime genannt, was “die glänzende Prinzessin des Bambusses” bedeutet.
Kaguya-hime wächst schnell heran und entwickelt sich zu einer außergewöhnlich schönen jungen Frau mit einem sanften Wesen und einem scharfen Intellekt. Die Dorfbewohner, die Kaguya-hime liebevoll betreuen, staunen über ihre außergewöhnliche Schönheit und ihr rätselhaftes Verhalten.
Sie wirkt immer fern und verträumt, wie ein Wesen, das an einen anderen Ort gebunden ist – zum Mondlicht vielleicht?
Die Verführung der Sterblichen
Mit den Jahren zieht Kaguya-hime die Aufmerksamkeit vieler junger Adliger auf sich. Prinzen und Fürsten, besessen von ihrer Schönheit, kommen aus aller Herren Länder, um ihre Hand zu erbitten.
Doch Kaguya-hime lehnt jede Heiratsanfrage ab. Sie fühlt sich nicht zu den sterblichen Männern hingezogen und sehnt sich nach etwas anderem – einem Ort, an dem sie wahrhaft dazugehört.
Die Geschichte macht deutlich, dass Kaguya-himes Sehnsucht nach ihrem Ursprung tief in ihrer Seele verwurzelt ist.
Der Preis der Unsterblichkeit
Eines Tages empfängt Kaguya-hime eine geheimnisvolle Botschaft aus dem Mondpalast. Sie erfährt, dass ihre Zeit auf der Erde abläuft und sie bald zurückkehren muss.
Die Nachricht wirft Kaguya-hime in tiefe Trauer. Sie hat sich in die Menschenwelt verliebt, ihre Freunde schätzt und die Schönheit der Natur genossen.
Doch die Pflicht ruft.
Eine bittere Abschiednahme
Kaguya-hime nimmt Abschied von ihren irdischen Freunden und Liebhabern. Die Prinzessin, gefangen zwischen zwei Welten, hinterlässt tiefe Wunden in den Herzen derer, die sie liebten. Um zu verhindern, dass ihre Angehörigen ihr nachfolgen, lässt Kaguya-hime eine Nachricht hinterlassen:
Sie bittet sie, keine Versuche zu unternehmen, sie auf dem Mond zu suchen, denn sie würde für immer von ihnen getrennt sein.
In einem Moment des Abschiedsschmerzes verwandelt sich Kaguya-hime zurück in eine Göttin des Mondes und schwebt mit ihren Begleitern in den Nachthimmel.
Die Bedeutung von “Kaguya-hime”
Die Geschichte von Kaguya-hime ist mehr als nur ein märchenhaftes Abenteuer. Sie ist eine tiefgründige Reflexion über die menschliche Existenz, den Wunsch nach Zugehörigkeit und die Grenzen der Sterblichkeit.
Kaguya-hime symbolisiert die Sehnsucht nach etwas Größerem und die Unmöglichkeit, zwei Welten gleichzeitig zu bewohnen.
Die Geschichte beleuchtet auch die tragische Seite der Liebe:
Sie kann uns zu unmöglichen Höhen tragen, aber auch tiefe Verletzungen hinterlassen.
Ein zeitloser Klassiker
“Kaguya-hime” bleibt bis heute ein beliebter Stoff für Künstler, Musiker und Schriftsteller. Das
Märchen fasziniert durch seine poetischen Bilder, seinen tragischen Ausgang und die tiefgründigen Fragen, die es aufwirft.
Die Geschichte erinnert uns daran, dass das Leben vergänglich ist und dass wir jede wertvolle Begegnung schätzen sollten, denn sie könnte jederzeit verloren gehen.